Wie man (fast) jede E-Gitarre auf Custom-Shop-Niveau bringt

Ja guuut, der Titel ist etwas reißerisch, aber er trifft das Thema ganz trefflich, kurz: Ich such(t)e sehr lange nach der perfekten Stratocaster, dem “heiligen Gral”. Auf dem Weg dorthin (Spoiler: ich hab ihn gefunden!) fand ich heraus, wie man fast jede gute Gitarren-Grundlage zu einem exzellenten Instrument hochpimpen kann.

Wieso will man überhaupt eine Gitarre “wie aus dem Custom-Shop?”

Alles fing an mit einer Highway One Stratocaster, die ich irgendwann an einen Freund verkaufte um auf eine American Standard upzugraden. Die Ami-Strat klang ganz anders, hatte ein anderes Gewicht und spielte sich auch anders. Aber war sie besser oder schlechter? Um die Frage zu beantworten, mussten weitere Strats her, um diverse Vergleiche anzustellen: Rosewood vs. Maple, Fat 50’s vs. Custom ’69 Pickups, u.s.w. Im Grunde alle Themen, mit denen sich jeder Strat-Enthusiast früher oder später beschäftigt.

Meine Datensammel-Phase

Viele (sehr ähnlich aussehende) Gitarren später dann hatte ich mir ein paar wertvolle Daten erschlossen, welche Kriterien sich wie auf den Sound auswirken. Noch viele Stratocasters später kam dann die ernüchternde Erkenntnis: Eine Strat ist nicht nur die Summe ihrer Teile… Sie klingen einfach ALLE komplett unterschiedlich, selbst Instrumente aus der selben Baureihe!

Zuerst war das frustrierend, da meine gesammelten Daten keinen Wert mehr zu haben schienen. Aber dann fand ich genau diese Tatsache einfach wunderbar! 🤗 Das ist doch so, als wären Gitarren lebendig und hätten individuelle Charaktere!

Nach der Datenflut kam die Sammelwut

Die Erkenntnis führte dann zu noch mehr Strats, die ich aber nicht mehr anhand der Komponenten auswählte, sondern anhand meines ersten Eindrucks. Viele spielte ich sogar bewusst vor dem Kauf (z.B. im Gitarrenladen) gar nicht mehr am Verstärker, sondern nur stromlos, denn Zuhause am eigenen Amp klangen sie ohnehin wieder anders. Fast alles verkaufte ich irgendwann wieder. Zu meinem 40sten Geburtstag dann konnte ich den Trader-Wahn endlich durchbrechen, indem ich mir selbst eine gebrauchte Masterbuilt von John Cruz schenkte. Uuuund? War das nun der so lang ersehnte heilige Graaaal?

Fender John Cruz Masterbuilt. Leider fiel der Meister zuletzt durch sehr unschöne Posts bei Facebook auf und wurde von Fender zurecht suspendiert.

Ja, im Grunde schon. Aber warum? Was war denn so besonders an ihr? Natürlich klang sie sehr gut, tatsächlich aber nicht aussergewöhnlich (ich hatte schon einige sehr gut klingende Strats). Aaaaaber! Das Spielgefühl war einfach fantastisch, wirklich etwas ganz besonderes!

Mein Zwischenfazit: Wenn eine Gitarre grundlegend funktioniert, gute Komponenten verbaut hat und alles sauber eingestellt wurde, ist der daraus resultierende Sound meist gut, immer anders und letztendlich Geschmackssache (siehe Beitrag: Einfluss der Komponenten auf den Sound der E-Gitarre). In der Rückschau betrachtet ging es mir bei der Suche nach dem heiligen Gral schon lange nicht mehr nur um den Sound, sondern hauptsächlich um das Spielgefühl!

Ja, was ist denn das mit dem Gefühl?

Nüchtern betrachtet ist eine Gitarre nichts weiter als ein Mensch-Gitarrensound-Interface: Ein ergonomisch geformtes Gebilde aus Holz, Metall und Plastik, welches dem einzigen Zweck dient, Körperbewegungen in Gitarrenklänge umzuwandeln. Ganz schön umromantisch, oder? Genau, und es würde auch nur stimmen, wären wir Menschen emotionslose Wesen.

Denn eine Gitarre kann für einen Menschen zu einem wichtigen Weggefährten werden. Nämlich dann, wenn man es schafft eine Beziehung zu ihr aufzubauen. Aber wann passiert das? Nun ja, wenn sie sich richtig anfühlt, richtig aussieht, richtig klingt, sogar richtig riecht. Ich spare mir jetzt mal peinliche Analogien zu Beziehungen mit Menschen…

Aber gibt es Gitarren, zu denen man einfacher eine Beziehung aufbauen kann, als zu anderen? Und wenn ja, warum? Nun ja, zumindest mir gelingt das bei neuen Gitarren, frisch aus der Fabrik, ohne Geschichte und versiegelt mit einer dicken Schicht Acryllack, eher nicht.

Vintage, Masterbuilt & Homebuilt

Und wenn man nicht das Glück hat, ein altes Instrument mit (bestenfalls eigener) Geschichte zu besitzen oder über das nötige Kleingeld für ein Vintage-Instrument verfügt? Genau hier kommen die Custom-Shop-Instrumente ins Spiel: Für den Preis eines guten Drumsets (also gar nicht mal sooo teuer! 😉) bekommt man eine Gitarre welche die Geschichte gleich mitbringt!

Partscaster aus hochwertigen Teilen, ganz in Nitrolack

Nachdem ich das alles verstanden hab, begann ich, eigene E-Gitarren aus hochwertigen Teilen zu bauen (auch bekannt als Partscaster). Das ist ein wunderbares Hobby und extrem lehrreich! Doch irgendwann merkte ich dann, dass das Gitarrenschrauben zu einer gehörigen Menge, zugegebenermaßen doch sehr ähnlich aussehender, Gitarren führt. Und ich wollte eigentlich gar nicht noch mehr Gitarren besitzen. Verkaufen ließen sie sich aber auch nicht, da man bekanntermaßen alles schlecht los wird, auf dem kein bekanntes Markenlogo prangt. Also hing ich das Hobby wieder an den Nagel.

Jedoch habe ich über die Jahre einige reproduzierbare Tricks der Masterbuilder entdeckt, wie sie es schaffen, dieses besondere Spielgefühl zu erzeugen. Und diese Erkenntnisse möchte ich im Folgenden teilen (na eeeendlich)!

5 Tuning-Tipps, wie aus Deiner E-Gitarre eine “Masterbuilt” wird

Wenn man sich ein bisschen mit der Arbeit der Masterbuilder im Custom Shop beschäftigt, kann man nüchtern betrachtet feststellen, dass sie letztendlich auch nur Partscasters bauen: Die Bodies und Necks werden von CNC-Maschinen ausgefräst und auch die grobe Nacharbeit an der Schleifmaschine nehmen sie nicht selbst vor. Erst beim finalen “sanding” wird dann vom Masterbuilder Hand angelegt, bevor die Teile dann – auch nicht vom Masterbuilder selbst – lackiert werden. Wirft man einen Blick in die Werkstätten der Masterbuilder, wird man feststellen, dass es ziemlich aufgeräumte, fast schon büroähnliche, Räume sind. Vor allem findet man hier keine Maschinen oder spezielle Werkzeuge die im Gitarrenbau zum Einsatz kommen. Lediglich ein paar Tools fürs allgemeine Setup zieren die Wände.

1. Perfektes Setup

Der signifikanteste Unterschied zwischen günstigen Gitarren und den Modellen aus dem Custom Shop ist also die Arbeitszeit, welche im Detail in die Instrumente fließt. Und genau die holen wir jetzt einfach nach! Hierbei sind alle Aspekte der Setup-Kunst relevant. Ich gebe hier keine Einstell-Anleitung denn davon gibt es zu genüge im Netz und auf Youtube. Ein paar Besonderheiten in meinem Setup-Vorgehen möchte ich hier allerdings beschreiben.

Die Werkstatt von Masterbuilder Yuriy Shishkov, hier passiert die “Magie”!

Halskrümmung ohne Lineal einstellen

Die perfekt eingestellte Saitenlage und Halskrümmung haben einen enormen Einfuss auf die Bespielbarkeit. Ich nutze zur Einstellung kein spezielles Lineal, sondern drücke einfach die dicke E-Saite am ersten und am letzten Bund ab und kontrolliere den Abstand am 9. – 10. Bund (bei gestimmter Gitarre). Hier sollte ein winziger Abstand zu sehen sein, sodass nicht mal ein dünnes Plektron dazwischen passt. Man kann auch die Saite mit einem Kapodaster am 1. Bund abdrücken, sodass man eine Hand frei hat. Dann kann man den Abstand mit einer Fühlerlehre nachmessen, er sollte bei etwa 0,3mm liegen.

(Auch neue) Bünde abrichten

Im Custom Shop wird jeder neu gefertigte Hals mit einem langen Schmiergelblock fein abgeschliffen. Dies passiert bei Gitarren von der Stange nicht, hier verlässt man sich drauf, dass die Bünde in etwa die selbe Höhe haben. Wenn man es richtig gut machen will, dann holt man diesen Schritt nach und verpasst auch der fabrikneuen Gitarre eine minimale Abrichtung (mehr ist gar nicht nötig).

Leichtes Nachschleifen von frisch bundierten Hälsen im Fender Custom Shop

Das kann man selbst machen, wenn man bereit ist, in das entsprechende Werkzeug zu investieren, oder man bringt die Gitarren zum Profi, welcher dann auch gleich das gesamte Setup vornehmen kann.

Ein Hals ist dann gut abgerichtet, wenn man nach dem Einstellen der Halskrümmung die Saiten einzeln jeweils am ersten und am letzten Bund herunterdrückt und beim Zupfen der Saite dazwischen ein klarer Ton hörbar ist. Dann drückt man die Saite am ersten und am vorletzten Bund herunter und prüft durch erneutes Zupfen wieder, ob der Ton sauber ist. So prüft man nach und nach das ganze Griffbrett durch. Anschließend macht man die Gegenprobe, indem man die Saite am letzten Bund herunterdrückt und gleichzeitig am zweiten, dann am dritten usw. Sind bei allen Saiten in allen Stellungen alle Töne hörbar, ist der Hals ok.

Für mich die perfekte Abricht-Anleitung, in Echtzeit (ca. 1 Stunde)

Sattelkerben feilen

Der perfekte Schliff der Sattelkerben ist das wohl unterschätzteste Tuning. Dabei hat dies enorme Auswirkungen auf die Saitenlage und Bespielbarkeit und sollte bei jeder Gitarre ausgeführt werden, welche nicht vom Gitarrenbauer oder aus dem Custom-Shop schon mit händisch nachgearbeiteten Kerben kommt. Da diese Arbeit etwas zeitintensiver ist, wird sie bei Gitarren von der Stange nicht vorgenommen. Im Gegenteil: Es wird sogar Extra-Material stehengelassen, damit die Kerben bloß nicht zu tief sind (was es unmöglich machen würde, die Gitarre zu spielen und somit zu verkaufen). Dieses Material muss also in jedem Fall entfernt werden.

Wenn man sich Youtube-Videos zu diesem Thema anschaut, dann arbeiten fast alle Gitarrenbauer (oder Laien) an der unbesaiteten Gitarre mit einem Lineal, welches sie in die Sattelkerbe und auf den zweiten Bund legen, um dann denn Abstand am ersten Bund zu bewerten. Häufig hört man die Faustformel: “Da soll nicht mal mehr eine Briefmarke zwischen passen”.

Ich habe aber die Erfahrung gemacht, dass der Abstand mit aufgezogenen Saiten doch anders ist (größer wird), wieso auch immer. Mein Trick liegt also darin, die Sattelkerben im besaiteten Zustand zu schleifen, was die Saitenlage noch mal ein gutes Stück runter bringt. Bei meiner John Cruz Masterbuilt konnte ich feststellen, dass hier wohl ähnlich gearbeitet wurde, denn die Sattelkerben sind deutlich tiefer, als hätte man das Schleifen mit dem Lineal vorgenommen.

Post-it als Fühlerlehre
Abdrücken am zweiten Bund

Man drückt nun nach und nach jede Saite rechts vom zweiten Bund herunter und schaut sich den Abstand am ersten Bund an. Nun feilt man mit der jeweils passenden Feile die Kerbe vorsichtig herunter und kontrolliert immer wieder (es ist wirklich sehr schnell zu viel). Wenn das doppelte Ende des Post-Its gerade noch klemmend drunter bewegt werden kann, dann passt der Abstand. Spätestens, wenn das dünnere Ende des Post-Its klemmt, war es zu viel.

Um diese Arbeit selbst auszuführen, braucht man nur einen Satz gute Sattelfeilen (das 6er Set von Ibanez für 119 EUR funktioniert prima). Das oben erwähnte Lineal braucht man nicht, denn man kann die aufgezogenen Saiten als Lineal verwenden. Eine Fühlerlehre bauen wir uns schnell selbst, dafür schneiden wir einen fingerbreiten Streifen von einem Post-It ab und kleben das hintere Ende mit dem Klebetreifen doppelt.

Zum eigentlichen Feilen gibt es sehr viele gute Youtube-Videos, meine bahnbrechende Erkenntnis ist eigentlich nur, dass man es bei aufgezogenen Saiten machen sollte.

2. Gewicht optimieren

Masterbuilt-Instrumente sind häufig ungewöhnlich leicht (meine John Cruz Strat wiegt gerade mal 3,2 Kilo). Das fühlt sich sehr Vintagemäßig an und ist vor allem sehr komfortabel. Hintergrund ist, dass die Instrumente aus den 50ern häufig auch leichter waren. Eventuell war das Holz damals von anderer Qualität, vielleicht hat das aber auch mit der Alterung zu tun. Die 50er-Strats waren auch konturierter, was sich dadurch auszeichnet, dass beim Belly-Cut und bei der Armauflage mehr Material heruntergeschliffen wurde, dies machte sie ebenfalls leichter.

Konturvergleich einer 54er- und 79er-Stratocaster

Eine Fender Stratocaster von der Stange bekommt man heute meist nicht unter 3,4 Kilo, die 200 Gramm Differenz zum Custom Shop scheinen zuerst bedeutungslos, allerdings machen sie “gefühlt” einen enormen Unterschied.

Ich hatte mal zwei Fender JV (Japan Vintage) aus den 80ern (nicht die Neuauflage), um die sich ja einige Legenden ranken. Sie waren beide ungewöhnlich leicht (um die 3,2 Kilo) und auch allgemein ganz gute Instrumente. Aber einen derartigen Hype haben sie jetzt auch nicht wirklich verdient.

Das Privileg der Masterbuilder

Da Holz ein Naturmaterial ist, schwankt das Gewicht von Gitarre zu Gitarre, auch bei selbem Modell gleicher Holzart. Die Masterbuilder bei Fender in Corona arbeiten direkt an der Produktionshalle und haben somit exklusiven Zugriff auf die zur Verfügung stehenden Materialien. Hier suchen sie sich für jedes Projekt ihre Neck- und Body-Rohlinge individuell heraus. Dabei wählen sie – je nach Bauvorhaben – häufig bewusst sehr leichte Teile, damit das Instrument ebenfalls sehr leicht wird.

Einen so exklusiven Zugriff wie die Masterbuilder haben wir Normal-Sterblichen leider nicht.

Vorselektierte Hölzer vor der Verleimung und Weiterverarbeitung zu Bodies im Fender Custom Shop, Corona Kalifornien

Aber wie bekommt man das Fett dann weg?

Bei Neuanschaffung

Man sollte versuchen, ein möglichst leichtes Instrument als Grundlage für das Tuning-Projekt zu finden. Die “Classic Vibe”- und “Modern Player”-Stratocaster sind z.B. relativ leicht und auch allgemein gesehen eine gute Wahl. Aber auch diese unterscheiden sich im Gewicht, also lohnt es sich, mehrere Modelle der gleichen Serie miteinander zu vergleichen.

Bei Eigenbau

Es gibt Holzarten im E-Gitarrenbau, die dafür bekannt sind, besonders leicht zu sein, wie z.B. Sumpfesche oder Erle. Es gibt auch Hölzer die so leicht sind, dass es wiederum etwas billig wirken oder zu Kopflastigkeit führen könnte, z.B. Paulownia oder Linde.

Falls man eine Partscaster bauen möchte, wählt man am besten einen Body mit 50’s Kontur oder mit HSH-Fräsung, denn durch die beiden großen Fräsungen für die Humbucker (welche man ja nicht verbauen muss) wird der Body nochmals leichter. Wenn man sich für Nitro-Lack entscheidet, können nochmals etwa 100 Gramm eingespart werden.

Die HSH-Fräsung verringert das Gewicht
Bei Bestands-GitarreN

Schwieriger wird es, wenn die Wahl bereits auf ein Instrument gefallen ist. Ich besitze beispielsweise eine sehr schwere 70er Jahre Strat, die fantastisch klingt, aber das Gewicht passt einfach nicht zu einer Stratocaster (in den 70ern der CBS-Ära war man der Meinung, dass schwere Gitarren mehr Sustain haben). So spielte ich bald mit dem Gedanken, einfach mit der Oberfräse unter dem Pickguard etwas Material zu entfernen. Aber dann hab ich es (glücklicherweise) doch nicht übers Herz gebracht. Andere Möglichkeiten sind bisher nicht bekannt, ich freue mich aber über Ideen in den Kommentaren unten!

3. Einfach ALLES rundschleifen und polieren

Eine jahrzehntelang gespielte Gitarre unterscheidet sich von Neuware insbesondere in der Abnutzung. Wenn man sich diese Gebrauchsspuren einmal genauer anschaut, dann sind sie natürlich vorwiegend dort entstanden, wo über die Zeit am meisten Reibung entstanden ist. Die Masterbuilder wissen das und schleifen ihre Gitarren rund wie Kieselsteine im Meer. Vorbild dabei ist die natürliche Abnutzung durch intensives Spielen, welche sie sich bei Referenz-Gitarren abschauen (zum Teil Leihgaben von legendären Gitarristen).

Diese Behandlung führt dazu, dass beim Spielen einfach nichts mehr piekst und schneidet und das fühlt sich einfach super an!

Masterbuilder schleifen alles rund, wie jahrzehntelang benutzt

Bund-Enden

Fangen wir mal mit dem Naheliegendsten an: Die Enden der Bundstäbchen. Diese nachzuarbeiten bedarf Zeit, deswegen wird es bei günstigeren Instrumenten nicht ausgeführt. Selbst bei meiner Vintera Jazzmaster für über 1000 EUR waren die Bundstäbchen vollkommen unbehandelt und scharfkantig. Hier muss also nachgearbeitet werden. Am besten geht das mit einer Bundfeile, man kann es aber auch mit einer flachen Schlüsselfeile versuchen.

Brücke

Auf der Brücke liegt der Handballen beim Anschlag (je nach Spielweise) auf, deswegen müssen auch hier alle scharfen Ecken und Kanten beseitigt werden. Bei einer Vintage-Strat-Brücke findet man an den Seitenreitern zudem Madenschrauben, die je nach Setup oben herausstehen können. Diese sollte man so weit kürzen, dass sie vollständig versenkt sind.

Aber auch die Seitenreiter selbst können seitlich etwas angeschliffen werden. Einfach alles, was sich unangenehm anfühlt, muss abgeschliffen werden!

Ober- und Unterseite des Griffbretts

Dieses Tuning geht schon stark richtung Relicing, allerdings bringt es für das Spielgefühl eine Menge! Wenn man künstliches Aging an Gitarren prinzipiell ablehnt, wird man sich überlegen müssen, ob man darauf verzichten will. Da die Spielhand allerdings im ständigen Kontakt mit dem Griffbrett ist, kann die Auswirkung aufs Spielgefühl enorm sein!

Vorher: Griffbrettkanten ohne Abrundungen
Nachher: Griffbrettkanten nach der Bearbeitung

Nicht nur die Oberseite des Griffbrettes spielt beim Kontakt mit der Hand eine Rolle. Die hintere Seite ist die Fläche an der Gitarre, welche am meisten nackten Körperkontakt hat. Deswegen wird hier bei Custom-Shop Instrumenten gern der gesamte Lack heruntergeschliffen. Das fühlt sich super an und durch ein paar Macken in der Rückseite hat man sogar eine bessere blinde Orientierung auf dem Griffbrett.

Rückseite des Halses einer Masterbuilt-Stratocaster

Sattel

Die Sättel bei Vintage-Instrumenten von Fender sind meist sehr schmal, sodass die dicke E-Saite sogar noch ein Stück oben herausragt. Die Masterbuilder feilen ihre Sattel auch ziemlich weit runter (siehe Foto weiter oben), aber vor allem runden sie alle Ecken ab und polieren das Material (bei hochwertigen Gitarren meist Knochen) anschließend.

Optimieren der Sattelform mit der Feile (dies ist eine ungünstig fotografierte Flachfeile)

Gerade beim Spielen von klassischen Lagerfeuer-Akkorden spürt man das, es ist daher wirkungsvolle Tuning-Methode, welche recht einfach umzusetzen ist.

4. Smells like teen spirit

Alte Instrumente haben einen eigenwilligen Geruch und dieser ist sehr speziell und bei jeder Gitarre unterschiedlich. Jetzt wird’s etwas cringe: Ich würde sogar behaupten, dass ich alle meine Gitarren nur am Geruch erkennen kann! 🥸

Interessanterweise hat meine Custom-Shop-Gitarre, die deutlich jünger ist, auch einen sehr speziellen Geruch. Und andere, relativ neue Gitarren, wie z.B. meine Vintera Jazzmaster, riechen überhaupt nicht. Doch was sind die Ursachen für dieses Phänomen?

Nitrolack

Nitrolack sollte durchgetrocknet erst mal keinen Eigengeruch verbreiten. Und doch ist es so, dass Gitarren mit Nitrolack besonders eigenwillig riechen. Tatsächlich mag ich diesen Geruch sehr, es ist irgendwas in Richtung Vanille + Kerzenwachs. Ich stehe total auf Nitrolack, weil er viel schöner altert und weil ich ihm diesen besonderen Geruch zuschreibe.

Ich habe in einem Gibson-Forum gelesen, dass neue Paulas häufig nach Vanille riechen. Das fand ich sehr spannend! Da Gibson bis heute Nitrolack einsetzt, wird es da wohl diesen Zusammenhang geben.

Offenporiges Holz

Ich habe mal eine American Standard im Internet gekauft, die hat ein Rosewood-Fretboard und riecht (nach 13 Jahren immer noch) nach frisch gedüngtem Acker, was nicht so erfreulich ist. Der Vorbesitzer war vielleicht Landwirt oder wohnte sehr ländlich, aber vielleicht ist es auch etwas vollkommen anderes. Zu dem Jauchegeruch gibt es sicherlich irgendeine Geschichte, die ich leider nie erfahren werde.

Jedenfalls strömt der Geruch hauptsächlich aus dem Holz, welches nicht versiegelt ist (Rosewood-Fretboard). Ich tippe deswegen darauf, dass unbehandeltes Holz Gerüche konservieren kann. Dies würde auch erklären, wieso die teilweise aufgeschrebbelten alten Gitarren eher riechen, da das Holz seine Versiegelung teilweise eingebüßt hat.

Koffer-Muff

Gitarren, die ich in Koffern lagere, scheinen von dem Phänomen stärker betroffen zu sein, als solche, die in Gigbags verstaut werden. Es kann sein dass der Geruch da einfach nicht so gut entweichen kann. Aber es ist auch möglich, das der Geruch zum Teil von den Koffern selbst kommt und auf die Gitarren übertragen wird.

Und wie wenden wir DIESE “Erkenntnisse” jetzt auf unser
Gitarren-Tuning an?

Ich würde wirklich gern herausfinden, wieso meine Custom-Shop-Gitarre so einen stark wahrnehmbaren Eigengeruch hat. Hat John Cruz sie etwa höchst persönlich mit seinem After Shave benebelt? Oder liegt es doch nur an dem Nitrolack? Jedenfalls habe ich eine Methode gefunden, auch Gitarren mit PU- und Poly-Lacken zu diesem Geruch zu verhelfen.

Zuerst hatte die Idee, eine Gitarre für ein paar Tage zusammen mit einem Vanille-Duftbaum in eine Tüte zu packen (denn Duftbäume mit Alte-Gitarre-Geruch sind nur sehr schwer zu bekommen). Vanille käme dem was ich suche noch am nächsten, nur leider riechen diese Duftbäume gar nicht danach, sondern eher nach Klostein!

Also nutze ich echte Vanilleschoten, die haben auch noch eine leicht holzige und eine Tabaknote, was ziemlich perfekt ist. Bei offenem Holz, wie z.B. einem abgeschliffenem Hals, reibe ich die Schote direkt über das Holz, wodurch das Öl austritt und das Holz so geölt wird. Den Rest klebe ich dann mit etwas Panzertape unter das Pickguard.

Ich weiss das klingt alles etwas sonderbar, aber probier es einfach mal aus! Es ist wirklich erstaunlich wie viel mehr Freude die Gitarre beim Spielen macht, wenn sie gut riecht.

5. Störer setzen

Ja genau, es geht um Marilyn Monroe’s Muttermal. Perfektion ist langweilig, weil das Auge des Betrachters keinen Halt findet. Wenn wir Menschen beschreiben, dann sagen wir Dinge wie “Der Typ, der immer Basecaps trägt”, oder “Die mit den kurzen Haaren”. Ich bin z.B. (leider) immer “der mit der Glatze”. 🙄 Diesen Hang zur Vereinfachung kann man sich zunutze machen, um einem Instrument einen individuellen Charakter zu verpassen.

Aging / Relicing

Ich kann die Kritik verstehen, wieso denn bitteschön nagelneue Instrumente zerstört werden müssen!? Aber die meisten ändern ihre Meinung, wenn sie mal so ein runtergekommenes Instrument gespielt haben (like me). Man kann diese Vorliebe sich selbst gegenüber auch mit einer Analogie zu Blue Jeans rechtfertigen, die heute mindestens “stone washed” verkauft werden, über den Zustand “fortgeschrittene Zerstörung”, bis hin zum nahezu untragbaren Fetzen.

Die Masterbuilder stecken viel Zeit in das Relicen, aber auch hier gibt es eine gewisse Ernüchterung: Sie arbeiten initial auch, wie bei der Road Worn Serie, mit Schablonen, wie man hier nachlesen kann.

Nicht so schön: Abgesplitterter Lack wird auch im Custom Shop mit Schablonen realisiert.

Trotzdem unterscheiden sich in diesem Punkt Road Worn Gitarren von “Meisterbauten”. Ich habe beide miteinander verglichen und der Road Worn sieht man die abgeknibbelten Schablonen regelrecht an. Bei meiner John Cruz wirken die Abplatzungen authentischer, vermutlich weil der Nitrolack dünner ist als Acryllack. Dazu kommt noch, dass der Lack von Haar-Rissen durchzogen ist (eventuell haben sie eine Cryo-Tortur hinter sich?), was bei Acryl-Lacken gar nicht möglich ist. Jedenfalls sieht die Masterbuilt deutlich authentischer aus, als die Road Worn.

Was machen wir nur daraus?
Wenn man bereit ist, seine Gitarre zu malträtieren, dann go for it! Das oben beschriebene Tuning “Alles rund schleifen” geht sowieso nicht, ohne die Gitarre teilweise künstlich zu altern. Es wird einem vielleicht sogar gelingen, ein authentischeren Look zu erziehen, als bei Fender, da die Lackschäden dann wirklich individuell sind (keine Schablonen).

Spezielle Teile, Sticker, etc.

Der Zubehörmarkt für Gitarrenteile ist gigantisch und eine wahre Fundgrube! So kann man seine Gitarre nach belieben individualisieren und dem persönlichen Geschmack anpassen. Ob verschiedenfarbige Pickguards, gealterte Pickup-Cover, Tuning-Brücken, was auch immer gefällt ist erlaubt und macht Deine Gitarre zu etwas ganz Besonderem.

Vintera-Jazzmaster mit Roller-Bridge, Jazzsaiten und Aloha-Sticker

Falls dir dieser Beitrag zu wenig auf den Sound eingeht, hierzu habe ich einen weiteren Artikel geschrieben.

Zu Anregungen oder Ergänzungen freue mich in den Kommentaren 🙂

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